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DRUCKVERSION Der Herr der Teiche

Die Genossenschaft Schlaubefisch ist der zweitgrößte Teichbetrieb im Land Brandenburg. Doch es wird sie bald nicht mehr geben

von UWE RADA

Den Appetit auf Fisch hat Thomas Müller nicht verloren. "Ich esse gerne Seefisch, aber auch Hecht und Zander", sagt er, "und Weihnachten und Ostern mindestens einmal Karpfen in Biersoße." Schleie dagegen mag er nicht so. "Die sind mir zu grätig."

Den Karpfen muss Müller, schlank hochgewachsen und immer gut für einen Scherz, nicht im Fischladen, den kann er aus dem eigenen Teich fischen. Die Genossenschaft Schlaubefisch, die der 62-Jährige seit der Wende leitet, bewirtschaftet im Landkreis Oder-Spree die beiden Pohlitzer Seen und den Stillen Treppelsee, dazu kommen die Teiche in Bremsdorf und in Friedland.

Zählt man auch die Standorte in Frankfurt (Oder) und dem Landkreis Märkisch-Oderland dazu, sind die die fünf Mitarbeiter der Genossenschaft mit Sitz in Falkenhagen auf 32 Teichen und 15 Seen unterwegs, dazu noch auf der Oder. Thomas Müller ist also der Herr der Teiche in Ostbrandenburg. 370 Hektar Teichwirtschaft betreibt seine Genossenschaft, sie ist nach Peitz die Nummer zwei in Brandenburg.

Brandenburg ist neben Sachsen das Bundesland mit den höchsten Erträgen aus der Teichwirtschaft. 30 Betriebe bewirtschaften in der Mark etwa 4.000 Hektar Teichfläche. Alleine in Peitz bei Cottbus sind es 1.500 Hektar. Dort wird auch die Tradition noch großgeschrieben. Nach dem Abfischen findet jeden Herbst der große Fischzug statt. Im Amt Peitz hat es der Karpfen sogar zum Wappentier geschafft, ein Hinweis darauf, dass die Teichfischerei in der Lausitz lange vor der Braunkohle zur traditionellen, meist sorbischen, Landnutzung gehörte.

Genossenschaft und Freiheit

Im Betrieb von Thomas Müller hat die Tradition Platz an einer Wand im Flur des ehemaligen Brigadegebäudes. Dort hängen Fotos, die die Geschichte der Genossenschaft erzählen. Für Müller ist es auch eine Erfolgsgeschichte. Sie geht zurück auf den VEB Binnenfischerei Frankfurt (Oder), aus dem sich 1977 ein Zweigbetrieb gründete, die ZBE Satzfischproduktion. "Das war kein VEB, sondern schon damals so ähnlich wie eine Genossenschaft", erinnert sich Müller, der von Anbeginn an dabei war."Man war unabhängiger, auch gegenüber der SED-Führung. Die Genossenschaften konnten mehr für sich selbst bestimmen."

Schon Ende der achtziger Jahre stieg die Genossenschaft auch wieder in die Herstellung von Speisefisch ein. Und so ist es noch heute, zum Beispiel bei den Karpfen, dem "Brotfisch" in Brandenburg. "In der Karpfenteichwirtschaft haben wir einen Vollbetrieb, das heißt einsömmrige, zweisömmrige und dreisömmrige sind dabei. Die dreisömmrigen sind dann die Speisekarpfen", erklärt Müller. Die ein- und zweisömmrigen Satzfische gibt die Schlaubefisch e.G. an andere Betriebe oder Anglervereine ab, der Speisekarpfen, von denen die fünf Fischer etwa 50 bis 70 Tonnen ernten, "geht in alle Welt". Allerdings werden jährlich fünf Tonnen davon in den Verkaufsstellen der Genossenschaft direkt vermarktet.

Zum Beispiel an der Bremsdorfer Mühle im Schlaubetal. Dort betreibt die Genossenschaft auch die Forellenrinnenanlage. Allerdings werden nur fünf Rinnen dafür gebraucht, die Forellen, die meist aus Dänemark stammen, "einzufärben" und "auf Tellergröße" zu füttern. "In den anderen 40 Rinnen kann ich tonnenweise Karpfen lagern, und die sind dann alle auch piccobellosauber." Die Rinnenanlage ist ein Glück für den Betrieb. Denn anfangs mussten Thomas Müller und seine Mitarbeiter die Karpfen noch fangfrisch verkaufen. "Da waren auch einige windige Fischhändler unterwegs, die am Teich angefangen haben über den Preis zu diskutieren, obwohl der fest vereinbart war", erinnert er sich. "Aber wenn das Wasser aus dem Teich abgelassen ist, hast du keine Chance mehr." Auch deshalb hat die Genossenschaft die Bremsdorfer Mühle zu einer Karpfenhälteranlage umgebaut.

Thomas Müller ist ein Macher. Das wusste auch die mehr als 50 Mitarbeiter, als sie nach der Wende den alten Chef abgesetzt und Müller als neuen ausgewählt haben. Die Rechtsform Genossenschaft haben sie beibehalten, auch wenn die Entscheidungsfindungen in einem "demokratischen Verein", wie es Müller nennt, manchmal etwas länger dauern als in einer GmbH. "Inzwischen hat es sich aber eingebürgert, dass der tägliche Betrieb von mir gesteuert wird."

Die Fischerei war Müller allerdings nicht in die Wiege gelegt. Seine Eltern waren Ärzte, zogen, als er zwei Jahre alt war, von Karl-Marx-Stadt nach Stalinstadt. Doch im Schlaubetal ging Müller schon als Kind angeln. Wegen des akademischen Elternhauses durfte er nach dem Abitur aber nicht an der Humboldt-Universität Binnenfischerei studieren. Seine Mutter brachte ihn dann auf die Idee, an der Ingenieurschule für Binnenfischerei an der Hubertushöhe zu studieren. Gleichzeitig jobbte Müller bereits als Hilfsarbeiter auf den Teichen der Satzfischproduktion im Schlaubetal.

Nach der Wende

Nach der Wende dann musste Müller zeigen, dass er den Betrieb zusammenhält. "Damals war es so, dass die Fischereirechte, die zu DDR-Zeiten Nutzungseinweisungen hießen, an die Besitzer gefallen sind, die Seen und Teiche gehörten ja jemandem." Das waren entweder Privateigentümer oder die BVVG Treuhand. "Wir mussten also diejenigen finden, die jetzt Eigentümer waren, und denen die Gewässer abkaufen oder sie von ihnen pachten."

Wenn Thomas Müller von seinem Betrieb redet, hört man ihn nur manchmal klagen. Über die kurzzeitige Einstellung der Förderung für die Teichwirtschaft 2009 zum Beispiel, wegen der er die Friedländer Teiche stilllegte. "Binnen eines haben Jahres sind die völlig zugewachsen und sahen aus wie ein Maisfeld." Als Frankfurt (Oder) die Booßener Teiche unter Naturschutz stellte, ist er auf die Barrikaden. "Ich hab denen gesagt, das ist eine Karpfenteichwirtschaft und keine Rotbauchunkenzucht.". Müller hat sich durchgesetzt. Und auch die Konkurrenz aus Polen fürchtet er nicht. Die Preise für Satzfische dort haben sich fast an unsere angeglichen, das ist für uns keine Bedrohung."

Das Geschäft des Lebens

Vielmehr stellt Müller in den Vordergrund, was er und die seinen alles geleistet haben. Eine ganz besondere Geschichte ist die vom Dezember 2020. Wegen Corona fielen die Gaststätten als Abnehmer ab und die Schlaubetal eG drohte auf 50 Tonnen Karpfen sitzen zu bleiben. "Doch wir hatten ein Riesenglück damals", lacht er. Eine Bremer Firma hatte sich angekündigt und wollte acht Tonnen abnehmen. "Als der LKW mit Hänger bei uns reinfuhr habe ich gesehen, dass die 16 Behälter für anderthalb Tonnen drauf haben", erinnert er sich. Sechs Stunden haben er und seine "Männeken", wie er sagt, die Karpfen mit dem Köcher verladen. "Am Ende waren es 22 Tonnen und wir alle waren platt". Als Müller in der Nacht in sein Haus in Diehlo kam, schimpfte seine Frau, erinnert er sich. "Dabei hab ich doch gerade das Geschäft meines Lebens gemacht."

Eine Zukunft für seinen Betrieb sieht er dennoch nicht, wenn er am 1. Januar 2025 in Rente geht. Zwei Mitarbeiter wollen den Betrieb erstmal weiterführen, auf kleiner Flamme. Einige Teiche hat Müller schon verkauft – und sich ein Nießbrauchrecht eintragen lassen. "Wir können die Teiche so lange bewirtschaften bis es den Betrieb noch gibt."

Wenn der Herr der Teiche geht, schrumpft auch Brandenburgs zweitgrößte Teichwirtschaft. Dann kommt die Zeit der Immobilienhaie. "Es ist jetzt schon so, dass mir die Leute den Laden einrennen, seitdem sie wissen, dass wir den Betrieb mal zumachen. Wann verkauft ihr, heißt es dann im Dorf."

Dass er doch noch einen Nachfolger findet, glaubt Müller nicht. "Da wird sich auch nichts finden", glaubt er. "Das will keiner machen. Die jungen Leute sagen zwar, ach, das ist ein schöner Beruf, Fischer möchte ich werden. Die sehen uns ja nur im Sommer auf dem Boot. Die müssen aber auch mal im November dabei sein, wenn wir die Teiche ablassen und da zehn Tonnen Karpfen bei strömendem Regen und null Grad rausholen und möglichst noch ein scharfer Wind dazu." und dann seien da auch die Gehaltsvorstellungen. "Da sage ich, Jungchen, deine Gehaltsvorstellung liegt im Moment beim Doppelten, was hier der Chef verdient. Von der Fischerei kann man leben, aber man wird nicht reich davon."

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